Brioche des Rois, by: David.Monniaux, wikimedia commonsFigurine "Boeuf" aus einem Gateau des Rois

Der Königskuchen

...oder: wie französische Bäcker den Zahnärzen helfen.

Anfang Januar nutzen die Franzosen gerne jeden Anlass, um mit einem Gläschen Champagner oder Cidre auf das neue Jahr anzustoßen. Eine besondere Gelegenheit dazu bietet der „Gâteau des Rois“ am 06. Januar.

Direkt nach den Weihnachtstagen füllen sich die Auslagen in unserer Dorfbäckerei. Mir waren vor einigen Jahren die großen runden Brioches aufgefallen; mit kunstvoll kandierten Früchten belegt. Diese Leckereien seien für "Épiphanie“ bestimmt, hieß es dazu. Ach ja?

Tatsächlich spielt das süße Backwerk um den Jahreswechsel eine tragende Rolle in Frankreich. Sei es in der Familie, unter Freunden und beim ersten Treffen eines Vereines – mit einem perlenden Getränk stößt man nochmals auf das neue Jahr an, wünscht sich alles Gute und genießt dazu ein Stück des Königskuchens. Eine schöne Sitte. Doch, wie ich bald merkte, ist Vorsicht geboten!

Wenige Tage später, an einem 06. Januar, wurde auf dem Gelände des „Club de tir à l’arc" in strahlender Sonne ein süßer „Gateau des rois“ angeboten. Für mich gab es dazu einen Hinweis:

„Attention! Il y ya une fève dans la gâteau“...

Eine Bohne im Kuchen? So etwas kennt man von Kindergeburtstagen. Wer das eingebackene Teil in seinem Stück des Naschwerks findet, darf sich etwas wünschen. Kein Problem.

Nach dem zweiten Bissen spürte ich allerdings etwas im Mund, das zu groß war für eine Bohne. Und zu hart – wie ein Zahn, zumindest ein Stück davon. Autsch.

Vorsichtig fühlte ich mit der Zunge - die Zähne schienen noch ganz zu sein. Jedoch
 war das, was ich dann aus dem Mund beförderte, alles
 andere als eine Bohne. Ein Figürchen, einige Zentimeter
 groß und mit "Boeuf" bezeichnet. Wirklich sehr hart und
 irgendwie keramisch. War damit der "Ochse des Tages"
 gekürt? Offenbar nicht. Denn als ich dieses Teil fragend in Händen hielt und den Mund mit einem Schluck Cidre ausspülte, riefen plötzliche alle: „Le roi boit“ – der König trinkt. Großes Gelächter.

Jemand zauberte ein goldenes Krönchen aus Pappe hervor, das nun mein Haupt zierte – und so hatten die lieben Franzosen wieder einen deutschen König. Aus Aachen, gute alte Tradition also. Wenn auch nur für diesen Nachmittag.

Nun folgte eine Erklärung:
Der „“Gâteau des rois“ sei seit Jahrhunderten in Frankreich bekannt. Im Norden des Landes werde er flach und mit einer Marzipanfüllung gebacken. Hier in der Provence bereite man ihn aber aus Brioche-Teig, Orangenwasser und kandierten Früchten zu. Früher sei tatsächlich eine kleine „Saubohne“ darin versteckt worden, um (in der Familie) den König des Tages zu ermitteln. Heute werde aber meistens eine Porzellanfigur verwendet, zum Sammeln. Entweder für eine Krippe (so wie mein Kälbchen) oder eine menschliche Figur (zum Beispiel ein König). In Marseille gebe es in den Kuchen beides, Porzellanfigur und Bohne gemeinsam.

Mit breitem Grinsen ergänzte einer der Anwesenden, das sei wahrscheinlich eine Erfindung der Zahnärzte. Sie würden sich am meisten über diese Einlage freuen. Aber noch niemand habe gehört, dass es wirklich zu einem Unfall durch die versteckten Figürchen gekommen sei.

Hier zeigen sich wieder einmal gewisse kulturelle Unterschiede. In Deutschland wäre der "Gateau des rois" sehr wahrscheinlich mit großen Warnhinweisen verziert: „Dieses Gebäck enthält Teile, die von Kindern verschluckt werden können. Nicht unter 6 Jahren verwenden!“

Hoffentlich kommt die EU nicht auf die Idee, dass hier noch etwas „ungeregelt“ sei. Aber wer weiß – vielleicht erlässt Brüssel demnächst eine „Verordnung über den Inhalt und das Inverkehrbringen von Königskuchen und ähnlichen Gebäcken“. Das wäre schade.

Denn in Frankreich sind die „Gâteau des rois“ einfach nur ein großer Spaß.

 


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